Was bedeutet es, wenn jemand ständig versucht, andere zu beeindrucken, laut Psychologie?

Du kennst bestimmt diese eine Person aus deinem Bekanntenkreis: Sie erzählt bei jeder Gelegenheit von ihrem neuen teuren Auto, lässt ständig Namen wichtiger Leute fallen und schafft es irgendwie, jedes Gespräch auf ihre eigenen Erfolge zu lenken. Vielleicht erkennst du dich sogar selbst ein bisschen wieder? Falls ja, keine Panik – du bist definitiv nicht allein damit. Aber was steckt eigentlich psychologisch hinter diesem ständigen Drang, andere beeindrucken zu wollen?

Plot Twist: Es ist nicht das, was du denkst

Hier kommt die erste große Überraschung: Was nach außen wie bombensicheres Selbstvertrauen wirkt, ist oft das komplette Gegenteil. Die Psychologin Jennifer Crocker von der University of Michigan hat einen Begriff geprägt, der alles erklärt – das sogenannte kontingente Selbstwertgefühl. Klingt kompliziert, ist aber eigentlich ganz einfach zu verstehen.

Menschen mit kontingentem Selbstwertgefühl behandeln ihr Selbstwertgefühl wie einen Aktienkurs. Es steigt dramatisch, wenn andere sie bewundern, und stürzt genauso schnell ab, wenn die Anerkennung ausbleibt. Crocker fand in ihren Studien heraus, dass solche Menschen tatsächlich häufiger unter Stress leiden und langfristig ein niedrigeres Wohlbefinden haben als Menschen mit stabilerem Selbstwert.

Das Verrückte daran: Diese Menschen werden quasi zu emotionalen Junkies. Sie brauchen ihre tägliche Dosis Bewunderung, und wenn die nicht kommt, geht’s bergab. Die Forschung aus dem Jahr 2001 von Crocker und Wolfe zeigt deutlich, dass Menschen, deren Selbstwert stark von äußerer Anerkennung abhängt, in einem endlosen Kreislauf gefangen sind.

Der heimtückische Teufelskreis, den niemand bemerkt

Jetzt wird’s richtig interessant, denn hier beginnt ein psychologischer Teufelskreis, der so perfide ist, dass die meisten Betroffenen ihn gar nicht durchschauen. Es läuft so ab: Person A will unbedingt beeindrucken, strengt sich mega an, bekommt vielleicht auch Anerkennung – aber das Hochgefühl hält nicht lange an. Also muss die nächste Portion Bewunderung her, und die muss noch spektakulärer sein als die letzte.

Das Gemeine daran: Je mehr Energie in dieses Spiel fließt, desto erschöpfter wird die Person emotional. Und erschöpfte Menschen fühlen sich… genau, noch unsicherer. Es ist wie bei einem Hamster im Laufrad – viel Action, aber man kommt nicht wirklich vorwärts.

Die wissenschaftliche Literatur zum kontingenten Selbstwertgefühl belegt eindeutig: Menschen, die stark von äußerer Bestätigung abhängig sind, leiden öfter unter Angstzuständen und haben Schwierigkeiten, echte Beziehungen aufzubauen. Der Grund ist simpel: Sie sind so sehr damit beschäftigt, ihre „Schokoladenseite“ zu präsentieren, dass sie vergessen, einfach sie selbst zu sein.

Soziale Medien haben das Problem zum Monster gemacht

Falls du das Gefühl hast, dass dieses Phänomen heute extremer ist als früher – du liegst absolut richtig. Instagram, TikTok und Co. haben aus dem Beeindrucken-Wollen praktisch einen Vollzeitjob gemacht. Früher musstest du höchstens deine Nachbarn oder Arbeitskollegen beeindrucken. Heute hast du theoretisch die ganze Welt als dein Publikum.

Eine Studie von Valkenburg und Kollegen aus dem Jahr 2017 brachte erschreckende Ergebnisse zutage: Übermäßige Social-Media-Nutzung, besonders wenn sie darauf ausgerichtet ist, Bewunderung zu ernten, führt tatsächlich zu niedrigerem Selbstwertgefühl und höheren Depressionsraten. Das ist so paradox, dass es schon wieder lustig wäre – wenn es nicht so traurig wäre.

Besonders junge Menschen stehen heute unter einem enormen Druck, ständig ihre Erfolge, ihr perfektes Leben und ihre Errungenschaften zu dokumentieren. Die Messlatte wird immer höher, weil man sich nicht nur mit den Menschen im direkten Umfeld vergleicht, sondern mit den Highlight-Reels von Millionen anderen Menschen weltweit.

So erkennst du die „Eindruck-schinden-Menschen“ in deinem Umfeld

Nicht jeder, der mal eine coole Geschichte erzählt oder sich über einen Erfolg freut, ist gleich ein chronischer Beeindruckungsversucher. Aber es gibt schon ein paar verräterische Muster, die Experten identifiziert haben:

  • Das endlose Name-Dropping: Ständig fallen wichtige Namen, teure Marken oder beeindruckende Orte in Gesprächen – oft völlig zusammenhanglos
  • Die Übertreibungs-Olympiade: Jede Geschichte wird ein bisschen dramatischer, erfolgreicher oder außergewöhnlicher erzählt, als sie wirklich war
  • Gespräche-Hijacking: Egal welches Thema angesprochen wird, es wird immer wieder geschickt auf die eigene Person gelenkt
  • Status-Symbol-Besessenheit: Materielle Dinge werden nicht wegen ihres praktischen Nutzens gekauft, sondern ausschließlich wegen ihrer Signalwirkung
  • Das subtile Komplimente-Angeln: Indirekte oder direkte Versuche, Lob und Bestätigung zu bekommen, oft getarnt als Selbstkritik

Der wichtige Unterschied zwischen gesundem Stolz und problematischem Verhalten

Bevor wir hier alle in Panik geraten: Es ist völlig normal und gesund, sich über Erfolge zu freuen und diese auch zu teilen. Der entscheidende Unterschied liegt in der Motivation und der emotionalen Abhängigkeit. Gesunder Stolz kommt von innen und braucht nicht ständig externe Bestätigung für sein Überleben.

Die Psychologen Tracy und Robins unterscheiden in ihrer 2007 veröffentlichten Forschung zwischen zwei Arten von Stolz: dem authentischen Stolz, der mit psychischer Gesundheit verbunden ist, und dem sogenannten „hubristischen Stolz“, der von äußerer Anerkennung abhängt und oft mit Unsicherheit und verstärktem Geltungsbedürfnis einhergeht.

Menschen mit stabilerem Selbstwertgefühl können auch mal einen miesen Tag haben oder kritisiert werden, ohne dass gleich ihre ganze Identität ins Wanken gerät. Bei Menschen mit kontingentem Selbstwertgefühl ist das anders – für sie ist jede fehlende Anerkennung wie ein kleiner emotionaler Weltuntergang.

Was passiert eigentlich in unserem Gehirn beim Beeindrucken-Wollen?

Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass soziale Anerkennung im Gehirn ähnliche Regionen aktiviert wie Drogen oder andere Suchtmittel. Eine bahnbrechende Studie von Izuma und Kollegen aus dem Jahr 2008 zeigte, dass soziale Belohnung das gleiche Belohnungssystem stimuliert wie Geld oder andere begehrte Dinge.

Das Belohnungssystem springt an, Dopamin wird ausgeschüttet, und wir fühlen uns fantastisch. Das Problem dabei: Wie bei anderen Süchten auch braucht man immer mehr, um den gleichen Kick zu bekommen. Es ist buchstäblich wie bei einer Droge – der erste Hit ist immer der beste, und danach jagt man diesem Gefühl hinterher.

Gleichzeitig sind bei Menschen, die stark von äußerer Bestätigung abhängig sind, oft die Gehirnregionen überaktiv, die für soziale Bedrohungen zuständig sind. Sie befinden sich ständig in einer Art Alarmbereitschaft und scannen ihre Umgebung permanent nach Zeichen von Ablehnung oder Ignoranz. Diese Forschung erklärt, warum diese Menschen oft so erschöpft sind – ihr Gehirn läuft praktisch im Dauerstress-Modus.

Der Ausweg: Wie man aus dem Beeindruckungs-Hamsterrad aussteigt

Die gute Nachricht ist: Man kann definitiv lernen, aus diesem ermüdenden Muster auszusteigen. Psychologen wie die renommierte Forscherin Brené Brown und Jennifer Crocker empfehlen verschiedene Strategien, die alle darauf abzielen, das Selbstwertgefühl von innen heraus zu stabilisieren.

Schritt Nummer eins: Brutale Selbstreflexion. Ehrlich zu sich selbst zu sein und zu erkennen, wann und warum man versucht zu beeindrucken, ist schon die halbe Miete. Viele Menschen sind sich ihrer eigenen Muster überhaupt nicht bewusst. Es ist wie mit einem blinden Fleck – man sieht ihn nicht, aber er ist definitiv da.

Besonders hilfreich ist es auch, authentische Verbindungen zu anderen Menschen aufzubauen. Das bedeutet: Mal verletzlich sein, über Schwächen sprechen, um Hilfe bitten. Paradoxerweise finden andere Menschen uns oft sympathischer und interessanter, wenn wir nicht ständig versuchen, perfekt zu erscheinen.

Brené Browns Forschung aus dem Jahr 2012 bestätigt: Verletzlichkeit gegenüber anderen steigert tatsächlich Vertrauen und Sympathie. Es ist kontraintuitiv, aber wahr – Menschen mögen Menschen, die menschlich sind, nicht solche, die wie polierte Roboter wirken.

Das Fazit: Echtes Selbstbewusstsein ist ein Solo-Act

Am Ende ist es vielleicht das Paradoxeste überhaupt: Echtes Selbstbewusstsein braucht überhaupt kein Publikum. Menschen, die wirklich mit sich im Reinen sind, haben es schlichtweg nicht nötig, andere zu beeindrucken, weil sie bereits genau wissen, wer sie sind und was sie wert sind – ganz ohne externe Bestätigung.

Das bedeutet natürlich nicht, dass man nie stolz auf sich sein oder Erfolge teilen sollte. Es bedeutet nur, dass das eigene emotionale Wohlbefinden nicht davon abhängen sollte, wie andere darauf reagieren. Und hier kommt der schönste Twist: Menschen, die aufhören zu versuchen, andere zu beeindrucken, sind paradoxerweise oft die faszinierendsten und sympathischsten Personen überhaupt.

Wenn du dich beim Lesen dieses Artikels ertappt gefühlt hast, ist das übrigens schon ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Selbsterkenntnis ist der Anfang von echter Veränderung. Und wer weiß – vielleicht merkst du schon bald, dass das Leben erheblich entspannter und echter ist, wenn du einfach du selbst sein kannst, ohne ständig eine anstrengende Show abziehen zu müssen.

Wieviel Inszenierung steckt in deinem Alltag?
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Nur ein bisschen
Kommt auf die Gruppe an
Ich bin Rampensau
Ich poste sogar mein Frühstück

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